Den Weg der Asche gehen
Der Magierarchetyp gibt Antworten auf Fragen unserer Zeit
Durch das Zulassen und Ausdrücken alter verborgener Gefühle entwickeln wir Empathie und Mitgefühl. Zwei Grundgefühle, die wesentlich sind, dass ich als Erwachsener beziehungsfähig bin und Entscheidungen treffen kann, die nicht nur aus dem Verstand kommen, sondern auch aus dem Herzen.
Wenn ich das kann, dann muss ich nicht mehr spalten und trennen. Weder im Innen noch im Außen. Ich kann dann scheinbar Widersprüchliches verbinden und versöhnen. So lange ich alte, wesentliche, schwierige Gefühle abspalten muss, ist mir das nicht möglich. Um mich vor diesen unangenehmen Gefühlen zu schützen, manipuliere ich meine Beziehungen, treffe ich als Entscheider, Politiker, Experte, Chef etc. Entscheidungen, die in erster Linie mir selbst dienen und nicht dem Wohle derjenigen, die von diesen Entscheidungen betroffen sind.
Ich «verkaufe» diese Entscheidungen und Handlungen allerdings so, als würden sie der Gemeinschaft dienen. Das ist das Manipulative daran. Eine wesentliche Schattenausprägung des Magier-Archetypen.
Da wir fast alle in der Jugendzeit keine Unterstützung und Begleitung darin hatten, durch einen bewussten Ablösungsprozess von den Eltern, kraftvoll mit den Wunden unserer Jugendzeit umzugehen, bzw. diese Wunden in Kraft, Tiefe und Mitgefühl umzuwandeln, schleppen wir sie als unerkannten Ballast in unserem Erwachsenenleben mit uns. Dieser Ballast hindert unsere Anführer einen wirklich klaren Blick in Krisenzeiten zu entwickeln. Krisenzeiten erfordern mehr als einen klaren Verstand. Der Verstand alleine ist meist überfordert, wenn schnell, oft widersprüchliche Informationen, unter einen Hut gebracht werden müssen, was in Krisenzeiten häufig der Fall ist. Es bräuchte dafür die Schnelligkeit der Intuition und die Weisheit des Herzens. Zu beidem ist mir jedoch der Zugang verschlossen, wenn ich in der Tiefe meines Herzens unerlöste Gefühle vergraben habe, die auch dort begraben bleiben müssen. Die Weisheit und die Intuition sitzt jedoch genau in dieser Herzenstiefe. Will ich einen Zugang zu dieser Quelle bekommen, tauchen automatisch auch die alten Wunden auf. Das spüre ich unbewusst und daher rühre ich aus Angst nicht an dieser Stelle und damit ist mir auch der Zugang zu Weisheit und Intuition verwehrt. Es bleibt dann nur noch der Verstand, um die anstehenden Probleme zu meistern. Wie eben erwähnt, ist dieser aber nicht dafür geeignet eine Fülle, an oft konträren Informationen, zu verarbeiten.
Wie soll z.B. der Verstand das Problem mit den Flüchtlingen lösen?
Entweder sagt er mir: «Die Menschlichkeit gebietet, dass wir uns um diese Menschen kümmern!» und er negiert dabei das Sicherheitsbedürfnis vieler Menschen in unserer Gesellschaft. Oder der Verstand sagt: «Wir werden komplett überfremdet, das überfordert unsere Gesellschaft, deshalb müssen die Flüchtlinge draußen bleiben.» Hier unterschlägt er den Part des Mitgefühls und der Mitmenschlichkeit. Der Konflikt scheint unlösbar.
Auf der Ebene des Herzens könnte eine Lösung folgendermaßen lauten: «Wir achten unser Sicherheitsbedürfnis und wir handeln mit Empathie.» Dieser Satz wirkt allerdings nicht, wenn er einfach nur so nachgeplappert wird. Er muss tief im Herzen gefühlt werden. Dann werden sich Lösungen zeigen, die die Umsetzung dieses Satzes ermöglichen und als Entscheider werde ich dann auch die Kraft haben meine Erkenntnis umzusetzen, selbst wenn mir der Wind ins Gesicht bläst. Wenn so etwas geschieht dann wird es magisch.
Beispiele dafür gibt es einige in der Geschichte. Mahatma Gandhi, der die Engländer auf friedliche Weise aus seinem Land vertrieben hat. Von ihm stammt der Satz: «Frieden im Außen gibt es erst, wenn ich Frieden in mir gefunden habe.» Er hat den Erfolg dieser Haltung beispielhaft vorgelebt. Oder Nelson Mandela, der nach 30 Jahren Gefängnis seine Peiniger in die Regierung miteingebunden hat, als er an der Macht kam. Ihm ist es gelungen, trotz allem, Frieden in seinem Herzen zu bewahren. Das geht nur, wenn ich all den Schmerz, den ich fühle, ganz und gar zu mir nehme, niemand anderen dafür verantwortlich mache und somit Platz mache für die eigentliche Herzenskraft, die aus Mitgefühl, Weisheit und Intuition besteht. Bestimmt ist Nelson Mandela während seiner Haft viele, viele Male den Weg der Asche gegangen. Hat in die dunkle Nacht seiner Seele geblickt, sich seinen Schmerzen und Wunden gestellt und jedes Mal wieder noch mehr Herzenstiefe und Liebe in sich frei gelegt. So wurde er, trotz Gefangenschaft, innerlich immer freier. Das ist die eigentliche und einzige Freiheit, die wir als Menschen erlangen können.
Die Freiheit des Herzens, die in der Dunkelheit gefunden wird
Da wir alle überwiegend gelernt haben Herz und Verstand zu trennen, erzeugen wir jede Menge Probleme in unseren Beziehungen, treffen wir Entscheidungen, die unsere Welt immer unmenschlicher machen, zerstören wir unsere Umwelt, sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen. Aus falsch verstandener (hier liegt es schon im Wort) Solidarität lassen wir unsere Alten einsam und verlassen sterben, setzen Kindern Masken auf und vermitteln ihnen, dass sie das Leben ihrer Grosseltern und Freunde gefährden. So etwas kann nur ein abgespaltener Verstand. Der Verstand ohne Verbindung zum Herzen ist kalt, gefühllos und grausam. Aus der Verbindung von Herz und Verstand gäbe es Lösungen, die sowohl einem realistischen Sicherheitsbedürfnis, als auch unserem Bedürfnis nach einem lebendigen Miteinander gerecht würden. Mit abgespaltenem Verstand kann ich mich entweder nur für das Eine oder das Andere entscheiden und jeder, der nicht auf meiner Seite ist, ist gegen mich. So handelt der Verstand. Er kennt nur Plus oder Minus, Dunkel oder Hell, Gut oder Böse etc. In der Manngeburt ist nun eine Sequenz genau diesem Dilemma gewidmet. Am Magierwochenende begeben sich die Teilnehmer auf den «Weg der Asche» und blicken eine ganze Nacht auf die unerlösten Wunden ihrer Jugendzeit. Sie finden dabei ihr persönliches Heilungsgebet, welches die Kraft besitzt, tatsächlich die Trennung zwischen Verstand und Herz aufzulösen und es dient als wirkungsvolles Medikament für die jeweils individuelle aktuelle Problematik.
Da kommt z. B. ein Mann von seinem Ascheweg zurück und ist zutiefst von der Flüchlingsthematik berührt, weil er in der Einsamkeit der Nacht spüren und fühlen konnte, wie es sich wohl anfühlen muss, wenn man auf der Flucht ist. In diesem Moment ist der Flüchtling nicht nur etwas Abstraktes Fernes, sondern er kam mit dem Flüchtling in sich in Kontakt und damit mit dem völlig unerwarteten tiefen Mitgefühl für diese Menschen. So eine Erfahrung verändert auch die Haltung zu dem Thema. Der gleiche Mann wurde auch erschüttert vom Röhren der Hirsche ganz in seiner Nähe und er erkennt für sein Leben, dass es bedeutend ist, dass er Stellung beziehen muss für Angelegenheiten, die ihm wichtig sind. Bis dato steckte er lieber den Kopf in den Sand, wenn es um ihn herum laut und schwierig wurde. Das Nachahmen des Hirschröhrens löste uralte Spannungen in seinem Körper und sein Nervensystem lernte nun ganz neu, dass es mit Herausforderung auch anders umgehen kann, als mit Anspannung und Wegducken. Das wiederum gibt ihm erstmals die Möglichkeit, viel präsenter zu bleiben und in einer entspannteren Haltung, wenn das Leben ihn fordert.
Ein anderer Mann, der sehr erfolgreich in seinem Beruf ist, aber sich privat abgeschnitten von seinen Gefühlen empfindet, fühlte sich in dieser Nacht tief verbunden mit dem Universum. Er erkannte seine Kleinheit angesichts des prächtigen Sternenhimmels. Kleinheit, nicht im Sinne von bedeutungslos, sondern er begriff, dass die Angst vor seinen Gefühlen in Anbetracht der Grösse des Universums winzig ist. Diese Erkenntnis war keine Kopfgeburt, sondern etwas in ihm wurde erfasst, mitgenommen und ermutigt, dass nichts Schlimmes passieren kann, wenn er seinen liebsten Menschen sein Herz öffnet. Ein Stück echter Transformation ist in dieser Nacht mit ihm geschehen.
Wieder ein anderer Mann ist auf dem Weg der Asche, der Härte seines Vaters begegnet und damit seiner eigenen Härte sich selbst gegenüber. Für ihn war dieser Ascheweg und die ganze Nacht ein einziger Stress, weil er die Härte so deutlich spürte, die er seit Jahrzehnten in sich trägt und er fand keinen Ausdruck der Erlösung. Erst als er uns im Kreis davon erzählte, brach er endlich in Tränen aus und konnte das Harte lassen und das Weiche in ihm kam zum Vorschein. Über Jahre Gestautes und Blockiertes konnte wieder fließen. Dieser Moment war heilsam für uns alle und wieder einmal wurde spürbar wie verbunden wir Menschen sind. Geht es einem von uns schlecht, ist auch nur einer in seinen Gefühlen gefangen, beeinträchtigt das alle 16 anderen, die im Kreis sitzen. Befreit nur einer seinen tiefen, alten Schmerz, erlöst uns das alle.
Können wir mit dieser Erkenntnis immer noch auf Kosten anderer Völker und Nationen unseren Wohlstand mehren oder retten wir letztendlich uns selbst, in dem wir mit dieser Ungerechtigkeit endlich aufhören? Beginnen muss allerdings jeder Einzelne bei sich, durch die Verbindung von Herz und Verstand. Noch deutlicher wird das in der folgenden Geschichte.
Als Ergebnis der Erfahrung eines Wochenendes malt jeder Mann ein Mandala nach C.G.Jung. Dabei wird in einen perfekten Kreis die essentielle, wesentliche Erfahrung des Wochenendes gemalt. Diese Mandalas sind echte Herzensbilder, mit denen sich die Männer seelisch nackt machen vor den anderen. Die Mandalas werden gezeigt und dann gespiegelt. In diesem Prozedere liegt die Chance, die Erfahrung des Wochenendes, die oft bis dahin nur im Numinosen, nicht greifbaren lag, ins fassbare und konkret für den Alltag umsetzbare, zu holen. Da diese Bilder wirklich nah am Seelenleben des zeigenden Mannes liegen, berühren sie auch die Betrachter tief und manchmal heilen sie sogar. So geschehen bei einem Bild, in dem es sehr um körperliche Anspannung aufgrund emotionaler Anspannung ging und die Auflösung davon. Als der Maler das Bild zeigte, reagierte einer der anderen Männer sehr freudig und fast euphorisch darauf, weil er selbst das ganze Wochenende eine starke Spannung in sich spürte. Als er nun das Bild seines Kollegen sah, löste sich unmittelbar sein ganzer körperlicher Stress, den er das gesamte Wochenende in sich trug, was er spontan freudig und dankbar zum Ausdruck brachte. Als wir nun unsere Abschlussrunde hatten, erhob sich der Maler des oben erwähnten Mandalas mit stockender Stimme und ging auf den anderen Mann zu und sagte: «Ich sehe, dir tut das Mandala sehr gut. Du kannst es haben, wenn du möchtest!». In diesem Moment brach der Beschenkte, am ganzen Körper gebeutelt, in Tränen der Freude und Rührung aus. War er doch derjenige, der sich darüber beklagt hatte, dass er sich nicht gesehen und gehört fühlt.
Wenn man nun weiß, dass diese Mandalas wahre Herzensbilder sind, die man normalerweise nicht verschenkt, kann man annähernd erahnen, warum diese Handlung so eine Wirkung hatte und zwar nicht nur für die beiden Protagonisten, sondern für alle, die dabei waren. Auch wir Zeugen waren tief berührt und eine Stille machte sich breit, die etwas wahrhaft Andächtiges hatte. Wenn wir uns dem Dunkel-sein in uns stellen, bekommen wir das Lichtvolle in uns geschenkt. Wieder so eine Paradoxie des Lebens, die sich in Verbunden-sein auflösen darf. Dieser Wandel ist d i e Lernaufgabe unserer Zeit, die uns allen gestellt ist, egal an welcher Position wir uns befinden. Wir werden die Antworten auf die Fragen dieser krisenvollen Zeit bestimmt nicht im Außen finden. Diese Antworten gibt es nur in uns und dann haben sie auch Wirkung im Außen! Das hat mich der Ascheweg und die Arbeit mit den Männern am Magierarchetyp gelehrt. Wenn Du mehr darüber wissen magst findest Du ausführliche Beschreibungen zur Arbeit mit den männlichen Archetypen in meinem Buch:
MANNGEBURT – KRAFTRITUALE FÜR MÄNNER; Verlag Männerwelten
Der nächste Manngeburt-Seminarblock beginnt im April 2021. Es gibt noch freie Plätze.
Infos unter www.adventure-in-yourself.de und unter www.manngeburt.ch