Heilsames für dein Inneres Kind
Von Hans Lüthi, Erfahrungsbericht Inneres Kind-Seminar
Inneres Kind-Seminar, drei volle Tage lang. Da muss doch was passieren!? Würde ich meinem inneren Kind wirklich näherkommen? Ich weiss, dass es existiert. Da ist was, womit ich ins Reine kommen möchte. Es gibt diesen vernachlässigten, missachteten Teil in mir, der dann und wann mal schreit und sich bemerkbar macht. In letzter Zeit hat er seine Stimme öfter erhoben, als mir lieb ist. Es scheint Zeit zu sein, dass ich mich um das Wohl dieses Anteils kümmere und das innere Kind endlich zum Kardinalsthema erkläre.
Schmerzhaft für mich ist die Erkenntnis, dass meine Schmerzen gar nichts mit dem zu tun haben, was mir andere «angetan» haben. Sondern mit mir selber! Damit, wie ich gelernt oder eben nicht gelernt habe, mit gewissen Dingen umzugehen. Und das wiederum hat damit zu tun, was ich als kleiner Hans gelernt oder eben nicht gelernt habe. Die Pfeile in meinem Fleisch weisen auf mich selber: «Bring was in Ordnung, Junge. Nimm dich deiner an. Gib diesem verletzten inneren Teil von dir das, was er braucht».
Mit Erwartungen am Start
Mit welchen Erwartungen ging ich an den Start? Drei Tage lang am Ball bleiben. Drei Tage lang Brimbamborium um dieses Kind herum, was es eben braucht, um die geheime Tür zu finden. Im Idealfall auch den Schlüssel für das Schloss, ein paar Tropfen Öl für die Scharniere und nach diesen drei Tagen würde ich und mein jüngeres Pendant durch diese Türe ein und ausgehen, als ob es nie anders gewesen wäre. Der Kleine und ich haben unsere Themen geklärt, alles ist im Reinen. Und das Leben fühlt sich leicht und richtig an.
In meinen eigenen Bemühungen für mich alleine, im stillen Kämmerchen, bin ich im Versuch, dieses innere Kind zu treffen und eine tragfähige Beziehung aufzubauen, immer wieder gescheitert. In diesen drei Tagen Seminar habe ich einiges dazugelernt, was mich in meinem Verständnis weitergebracht hat und in einigen Dingen wurde ich bestätigt – und damit auch ermutigt, am Ball zu bleiben und nicht aufzugeben.
Der ganze Kurs war mehrheitlich auf «erleben» ausgerichtet, wenig Theorie. Gerade so viel, dass auch Menschen wie ich, die gerne wissen, warum etwas so und nicht anders gemacht werden soll, zustimmen und mitmachen können. Da gibt es also in der frühen Kindheit noch kein autobiographisches Gedächtnis, in welchem Erlebnisse gespeichert und über das Bewusstsein abrufbar sind. In dieser Zeit werden Erlebnisse verkörpert. Embodiment. Und alles, was dort und auf diese Weise gespeichert wird, ist nicht über den Verstand abrufbar. Wenn wir also die angesprochene Türe suchen, die uns an prägende Ereignisse von damals heranführen soll, dann reicht reden nicht. Das geht dann nur über spüren, fühlen – über Körperempfindungen.
Dem wurde im Kurs voll und ganz Rechnung getragen. Das Körpergedächtnis wurde drei Tage lang angestossen. Durch verschiedene Meditationen, durch achtsame Körperübungen und Körperbewegungen. Früher hätte ich für so was nichts übrig gehabt. Heute weiss ich, dass solche Übungen echt was hergeben. Es ist so wie bei einer total blockierten Mechanik, wenn man mit Ölspray dahinter geht und leicht rüttelt und schüttelt. Da löst sich dann plötzlich etwas und «es kommt in Bewegung». So auch die achtsam angeleiteten Übungen der Kursleiterin: Es rüttelt und klopft an unserem Seelengestänge und gibt dann plötzlich die eine oder andere Erinnerung frei, die eben nur auf diesem Weg gefunden werden kann. Der Körper ist die Tür.
Zu den Übungen gehörten auch Tanz und Spiel. Ich kenne keine Kinder, die natürlicherweise ein Problem mit Tanzen und Spielen haben. Ganz im Gegenteil. Als Erwachsener mag ich mir komisch vorkommen. Nur: Wenn ich an das innere Kind herankommen will, dann ja auch deshalb, weil ich etwas von dem Unbekümmerten, Leichten suche, was Kindern eigen ist. Wenn ich wieder anfange zu tanzen und zu spielen, dann wird das Innere Kind sich eher eingeladen fühlen, sich zu zeigen.
Mut zum Hinfühlen
So ging es dann auch ans Eingemachte: Sensibilisiert gab es dann auch tatsächlich imaginär diese Begegnungen, die wohl jeder im Raum anders erlebt hat. Unterschiedlich in Deutlichkeit und Intensität. Die Begegnungen haben sich auch ganz divers gestaltet, wie der Austausch mit anderen Teilnehmern gezeigt hat. Es tut übrigens gut, Erfahrungen zu teilen und geteilte Erfahrungen zu hören.
Ich hatte eine Begegnung mit dem Kleinen Hans − nach einem ganz bestimmten Erlebnis in der Kindheit −, welches sich in einer geführten Mediation zeigen durfte. Ich habe dabei mit Schrecken gemerkt, wie ich mich selber schwer tue, dem Kleinen zu begegnen und die Bereitschaft auszusprechen, ab jetzt für ihn da zu sein, für ihn zu sorgen und ein guter, verlässlicher Freund zu sein. Würde ich das denn überhaupt können? Würde ich so verlässlich sein, wie das der Kleine erwarten würde?
Ganz eindrücklich fand ich die Übungen mit «Nachbeelterung». Das war ein Kernritual, an das wir ganz behut- und einfühlsam herangeführt wurden. Aus einer Vielzahl von «Sondiersätzen» durfte mein Unbewusstes Jenes herausgreifen, was ich mir als Kind mehr gewünscht hätte. An diesen einfachen Sätzen hängt ein Rattenschwanz an Dingen, von denen wir mehr gebraucht hätten. Jeder von uns hat von etwas zu wenig erhalten und ist dann auch als Erwachsener unbewusst auf der Jagd danach, das zu erhalten. Es war eine Erfahrung, die mich reich beschenkt hat. Anlehnen dürfen, gehalten werden gehörte dazu. Dann diese Worte zu hören, die mir als Kleiner gefehlt haben, verbunden mit den dazugehörigen Gefühlen der «Eltern», hat enorm viel ausgelöst. Erfahrungen, die mit Worten schwer zu beschreiben sind. «Eingesprüht» mit Worten der Wertschätzung und Liebe, sanftes Rütteln an meinem Seelengestänge.
Bemerkenswert an diesem Seminar: Die Wertschätzung für diesen Raum, der so tiefe Erlebnisse möglich gemacht hat. Die Kursleitung hat in jedem Moment überzeugt. Es war alles da, was ich mir gewünscht habe: Fachliche Kompetenz, Erfahrung, kreative Gestaltung verschiedener zielführender Übungen, konstruktiver Austausch, Humor, Direktheit, Ehrlichkeit. Nicht um den heissen Brei herumreden.
Wesentliche Schritte weiter
Ich bin dankbar, diesen Kurs besucht zu haben. Ich für meinen Teil bin dadurch mit dem kleinen Hans in einen guten Kontakt gekommen. Einen Kontakt, der vielleicht an Ort und Stelle noch etwas vorsichtig und distanziert war, jetzt zu Hause jedoch vertieft werden konnte. Es wurde in meinem Fall eine solide Basis dafür geschaffen, mit dem Kleinen im Kontakt zu bleiben und ihn zu kultivieren. Ich habe seither Dinge gemacht, die ich noch nie gemacht habe und ich habe sie dem Kleinen gewidmet. Oder anders gesagt: Ich konnte dem Kleinen eine Plattform bieten, wieder zu spielen und sich unbekümmert zu zeigen. Das fühlt sich gut an und schenkt mir Lebensqualität. Dafür bin ich sehr dankbar.
Es gibt eindeutig Dinge, die nur eine Wirkung entfalten können, wenn man sie erlebt. Innere Kind-Arbeit gehört in diese Kategorie. Im Rahmen dieses Kurses habe ich genau die Bedingungen gefunden, die es dazu braucht. Danke!